Wenn ein Garten am Baukran hängt …
Grüne Lebensqualität wird im Wohnungsbau zum ’normalen Geschäft‘
„Geht nicht“ gibt’s nicht, wenn es um Wohn- und Lebensqualität geht: Garten- und Landschaftsbauer Eckhard Klems lässt das Baumaterial für einen kompletten, parkähnlichen Garten über 30 Meter hohe Häuser per Kran in einen Dortmunder Innenhof heben.
2010. Wer aus 1.600 qm Grünfläche in nur drei Monaten einen parkähnlichen Raum gestalten will, muss schweres Geschütz auffahren: Bäume, Bagger, Radlader und mehrere hundert Tonnen Material sind eingeplant, jedoch: Die Grünfläche hat keinen befahrbaren Zugang! Sie liegt in einem Karree aus 16 Wohnhäusern mitten in der dichtbesiedelten östlichen Innenstadt von Dortmund, dem sogenannten Kaiserviertel.
„Geht nicht gibt’s nicht“, wurde daher für den ausführenden Garten- und Landschaftsbauer Eckhard Klems zur Maxime. Er orderte einen 170-Tonnen-Autokran und ließ den gesamten künftigen Garten über die fünfgeschossigen Wohnhäuser – 30 m Höhe und 20 m Breite! – durch die Luft einschweben. Nicht nur stieß der Kran damit an die Grenzen seiner Belastbarkeit, auch die Baustellenlogistik musste auf den Kopf gestellt werden: Alles Material, das sonst just-in-time auf der Baustelle eintrifft, war innerhalb von vier Tagen komplett in den Innenhof zu schaffen.
Nicht nur Fernsehen und Bildzeitung berichteten von dem spektakulären Baubeginn, auch die Anwohner aus den umliegenden 115 Wohnungen nahmen regen Anteil und beobachteten täglich voller Vorfreude jede Veränderung in ihrem zukünftigen Garten.
„Früher galt an solchen Anlagen ‚Betreten des Rasens verboten'“, erklärt Eckhard Klems. „Grünflächen durften nicht genutzt werden und waren höchstens ‚Grüngürtel‘. Heute sind Garten und Wohnen im Sinne von Lebensqualität untrennbar miteinander verbunden. Der Bauherr plant eine kommunikative Gartenanlage für die Anwohner mit lebhafter Bepflanzung, Bänken und Bäumen. Durch die Modellierung großzügiger Rasen-, Pflanz- und Sitzflächen entsteht eine parkähnliche Gartenanlage mit Raumbildung.“
Dringender Handlungsbedarf: Grüne Lebensqualität
Der Bauherr, das ist die Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft Dortmund eG. „Die Neugestaltung des Innenhofes steigert die Wohnqualität erheblich“, betont Vorstandsmitglied Erwin Reinert. Nicht Häusersanierung, sondern Wohnumfeldverbesserung hat sich die Dortmunder Wohnungsgenossenschaft in diesem Fall auf die Fahne geschrieben. Sie investiert rund 170.000 Euro in die grüne Oase und das, so Vorstand Reinert, „ist nicht das erste Projekt dieser Art. Im letzten Jahr wurden insgesamt 4,7 Millionen Euro zur Verbesserung und Erhaltung des Wohnungsbestandes ausgegeben, davon 225.000 Euro für die Wohnumfeldverbesserung. Das ist für uns normales Geschäft.“
Was aber nicht bedeutet, dass sich das Projekt umgehend in den Mietpreisen niederschlägt: Bei der Wohnungs-genossenschaft sind die Mieter auch Mitglieder und Anteilseigner.
Sie waren von vornherein in Planung und Gestaltung einbezogen, schildert Erwin Reinert: „In einer Mieterversammlung wurde die Gartenarchitektur vorgestellt und besprochen.“
Das war vornehmlich Aufgabe des Dortmunder Gartenplaners Michael Münzner. Er hat die verschiedensten Anforderungen an den Anwohner-Park zusammengetragen und für ungewöhnliche Bedingungen kreative Lösungen gefunden.
Gesellige Sitzbereiche werden „tiefergelegt“
Für das einladende Ambiente etwa gestaltete Münzner verschiedene Sitzbereiche. Im Karree der 16 umliegenden Wohnhäuser entstanden sieben Sitzflächen, die – „da niemand gern auf dem Präsentierteller sitzt“ – umgeben von schützender Bepflanzung auf einer tieferen Ebene liegen. Über eine Stufenanlage erreicht der Gartennutzer die dominante Rasenfläche in der Mitte des Hofes, wo die alten, großen Bäume in die Gesamtgestaltung integriert sind.
„Wer seinen Liegestuhl in den Schatten der Bäume stellt, kann so den eigenen kleinen Park genießen“, schwärmt Münzner. Aus Sträuchern und Bodendeckern erwächst die Randbepflanzung der Rasenfläche. „Die meisten Anwohner schauen aus dem Fenster in den Innenhof. Daher galt es, neben der optimalen Nutzung ein attraktives, harmonisches Bild von oben zu schaffen. Dazu wurden für die Bepflanzung amorphe Formen gewählt“, erklärt der Gartenplaner.
Vor eine weitere Herausforderung stellte ihn die Unebenheit der 1.600 Quadratmeter großen Anlage: Die Fläche weist einen Höhenunterschied von ca. einem Meter auf, wobei der höchste Punkt in der Innenfläche liegt. Die wird außen von einem zwei Meter breiten, tief liegenden Streifen entlang der Häuser begrenzt. „Hier bot sich die gestalterische Anbindung der Kellereingänge an, die als einzige Zugänge in den Garten führen“, schildert Michael Münzner.
Und schließlich durfte das Projekt nicht zu teuer werden. So bleiben beispielsweise Mutterboden und bereits vorhandenes Material im Hof und werden neu verbaut. Weiteres Kriterium sind die Folgekosten: „Wir wollten den Pflegeaufwand gering und die Kosten für die Wohnungsgenossenschaft somit möglichst niedrig halten“, erklärt der Planer. Eine Pflasterbahn umgibt die Bepflanzung, sodass die außergewöhnlichen Formen dauerhaft erhalten bleiben.
Während die Anwohner gemeinsam mit Eckhard Klems ein „Der Garten ist fertig!“-Fest planten, waren sie bereits einig: „Der neue Garten ist ein richtiger Blickfang!“